Behind the Image: Across the Röstigraben (D)

Nach einem kurzen Flug von Genf wird der Kapitän in wenigen Augenblicken seinen Airbus A320neo sanft auf die Landebahn 34 am Flughafen Zürich aufsetzen. Trotz der überschaubaren Grösse des Landes verfügt die Schweiz über vier offizielle Sprachen. Eine Besonderheit des 30-minütigen Inlandfluges ist das Überqueren des "Röstigrabens", der imaginären Grenze zwischen dem französisch- und deutschsprachigen Teil des Landes, benannt nach einem nationalen Gericht.

 

Willkommen an Bord von LX2819

Während unser Airbus A320neo Richtung Flughafen Zürich absinkt, erinnert uns die sanfte Landschaft des Zürcher Oberlands an die faszinierende Vielfalt, die sich während des kurzen Hüpfers von Genf und somit quer durch die Schweiz unter uns entfaltet hat. Trotz ihrer bescheidenen geografischen Ausdehnung ist die Schweiz ein Land mit reicher kultureller Vielfalt, die sich nicht zuletzt in ihren vier Amtssprachen manifestiert. Auf unserem 30-minütigen Flug haben wir das Privileg, beinahe die gesamte Breite dieses Juwels im Herzen Europas und mein Zuhause zu überqueren. Mit mehreren Flügen pro Tag verbinden wir die beiden Tore zur Schweiz miteinander und bieten auf unserem einzigen Inlandflug einzigartige und vor allem abwechslungsreiche Perspektiven auf unser Zuhause. Dabei überqueren wir auch eine imaginäre Grenze, die die Schweizer sowohl mit einem Zwinkern als auch liebevoll "Röstigraben" nennen. Sie markiert den Übergang zwischen den französisch- und deutschsprachigen Regionen und ist nach einem beliebten nationalen Gericht benannt. Herzlich willkommen im Cockpit auf dem Flug von Genf nach Zürich. Begleite mich und lass uns gemeinsam die Schweiz von oben erkunden.

Genf liegt am westlichen Ende des Genfer Sees nahe den französischen Alpen und ist eine die zweit-grösste Stadt im Land bekannt für seine diplomatische Bedeutung und ihre kulturelle Vielfältigkeit.
Genf liegt am westlichen Ende des Genfer Sees nahe den französischen Alpen und ist eine die zweit-grösste Stadt im Land bekannt für seine diplomatische Bedeutung und ihre kulturelle Vielfältigkeit.
Die Lichter von Genf deutlich sichtbar als wir uns dem Schweizer Luftraum aus östlicher Richtung nähern. Die Stadt liegt eingebettet zwischen den Hügeln des Jura und den hohen Gipfeln der französischen Alpen.
Die Lichter von Genf deutlich sichtbar als wir uns dem Schweizer Luftraum aus östlicher Richtung nähern. Die Stadt liegt eingebettet zwischen den Hügeln des Jura und den hohen Gipfeln der französischen Alpen.

 

Gerade haben wir von der Piste 04 in LSGG abgehoben und steigen über dem Genfersee in den Abendhimmel empor. Die Weinberge des Lavaux schmiegen sich malerisch entlang des Sees in die Landschaft. Der Kanton Genf, umgeben von Frankreich, markiert das westliche Ende des Alpenstaates, und nur wenige Kilometer Richtung Süden beginnen die französischen Alpen. Von unserem Start an beginnt sich die Landschaft unter uns zu verändern und spiegelt dabei die kulturellen und sprachlichen Unterschiede der Schweizer Regionen wider. Entlang des Genfersees ist der französische Einfluss deutlich spürbar, nicht nur in der gesprochenen Sprache, sondern auch im architektonischen Flair und den kulinarischen Köstlichkeiten, die die Region prägen. Aufgrund unserer äusserst kurzen Flugzeit steigen wir auf eine vergleichsweise niedrige Reisehöhe von nur 5000 m oder 15000 ft. Während wir über dem Genfersee unseren Steigflug fortsetzen, schauen wir nach Süden und bewundern den 4805 m hohen Mont Blanc. Das gleichnamige Massiv liegt direkt am Dreiländereck von Frankreich, Italien und der Schweiz, und sein Gipfel ist der höchste Berg der Alpen und Europas ausserhalb des Kaukasusgebirges. Unser Blick schweift nach links um das Matterhorn zu erblicken. Es ist zweifellos der berühmteste Berg und ein nationales Symbol der Schweiz. Er ist Teil der Walliser Alpen, die einige Rekorde unter den Gebirgsgruppen der Alpen für sich beanspruchen, etwa die umfangreichste Vergletscherung oder die höchste Anzahl an Viertausendern im Alpenhauptkamm. Direkt hinter dem Matterhorn erscheinen die Gletscher des Monte Rosa-Massivs und der höchste Berg der Schweizer Alpen. Mit 4634 Metern thront die Dufourspitze über dem Mattertal, das Zermatt Richtung Norden mit dem Kanton Wallis verbindet.

Der goldene Schimmer der untergehende Sonne beleuchtet den mäjestätischen Mont Blanc. Europas höchster Gipfel ragt 4805m in den Himmel hoch und ist  ganz-jährig schneebedeckt.
Der goldene Schimmer der untergehende Sonne beleuchtet den mäjestätischen Mont Blanc. Europas höchster Gipfel ragt 4805m in den Himmel hoch und ist ganz-jährig schneebedeckt.
Wir nähern uns dem östlichen Ende des Genfer Sees und bestaunen die Schichten, die durch den Morgennebel des frühen Sommers entstehen. Wer genau hinschaut kann bereits das Matterhorn entdecken?
Wir nähern uns dem östlichen Ende des Genfer Sees und bestaunen die Schichten, die durch den Morgennebel des frühen Sommers entstehen. Wer genau hinschaut kann bereits das Matterhorn entdecken?
Das markante Matterhorn in seiner vollen Pracht an einem beinahe wolkenlosen Wintertag. Links davon kann man das Monte Rosa-Massiv und der höchsten Gipfel der Schweiz erkennen.
Das markante Matterhorn in seiner vollen Pracht an einem beinahe wolkenlosen Wintertag. Links davon kann man das Monte Rosa-Massiv und der höchsten Gipfel der Schweiz erkennen.

Au revoir Genève, Grüezi Zürich

Nach wenigen Flugminuten erreichen wir das östliche Ende des Genfersees, und vor uns liegt bereits die imaginäre Grenze des Röstigrabens. Die sanften Weinberge des Lavaux liegen bereits hinter uns, und die Landschaft wird zunehmend voralpiner. Hügellandschaften, die in sanfte Täler übergehen, und die Seenlandschaft des Mittellandes künden damit unsere Ankunft in der deutschsprachigen Schweiz an. Hier nimmt die Architektur der verstreuten Dörfer einen traditionell alpinen Charakter an, unverkennbar an den chaletähnlichen Holzhäusern und einer präzise angelegten Infrastruktur, die sich durchdacht durch die Täler unter uns schlängelt.

Der Begriff "Röstigraben" beschreibt übrigens die kulturellen und sprachlichen Unterschiede in der Schweiz, insbesondere zwischen den französisch- und deutschsprachigen Regionen. Er durchquert die Schweiz in nord-südlicher Richtung, und seine unsichtbare Grenze reicht von der französischen Grenze im Norden bis zur italienischen Grenze im Süden und durchquert dabei verschiedene Kantone. Solltest du noch nie in den Genuss einer "Rösti" gekommen sein, so kann ich dir das traditionelle Schweizer Kartoffelgericht bei deinem nächsten Besuch wärmstens empfehlen. Der Begriff symbolisiert hauptsächlich und auf humorvolle Weise die Unterschiede zwischen dem französischsprachigen westlichen Teil der Schweiz und dem deutschsprachigen östlichen Teil. Nebst dem sprachlichen Element repräsentiert er auch den subtilen, aber wahrnehmbaren Übergang zwischen diesen beiden Regionen, wo sich Bräuche, Architektur und sogar Küche unterscheiden.

Genau entlang des Röstigrabens verläuft die Region der Seen und Fribourg. Besonders die sanften Hügel um die zweisprachige Stadt Fribourg bieten einzigartige landschaftliche Gegensätze: Karge Kalksteingipfel im Süden wandeln sich in milde, mediterran anmutende Seeufer im Norden. Und dies alles umrahmt von den majestätischen Schweizer Alpen im Hintergrund. Während wir die atemberaubende Mischung der Landschaften bewundern, erinnert uns eine Funkspruch der Flugverkehrskontrolle auch an die Bedeutung des Röstigrabens aus der Perspektive eines Piloten. Denn diese unsichtbare Grenze trennt auch den Schweizer Luftraum und markiert den Übergang vom Kontrollzentrum in Genf zu jenem in Zürich.
"SWISS Two-Yankee-Alpha, contact Zurich Control on 135.680, Bon vol!" Wenige Augenblicke später erkennen wir am Akzent des Fluglotsen uns seinem freundlichen "Grüezi mitenand", dass wir soeben den Röstigraben überflogen haben und in der Deutschschweiz angekommen sind.

Wir überqueren die imaginäre Linie des "Röstigrabens" und blicken zurück über den Lac de la Gruyère, mit dem Mont Blanc rechts und den Walliser Alpen links am Horizont.
Wir überqueren die imaginäre Linie des "Röstigrabens" und blicken zurück über den Lac de la Gruyère, mit dem Mont Blanc rechts und den Walliser Alpen links am Horizont.

Wir erreichen die Halbzeit unseres 30-minütigen Fluges und überfliegen Bern, die Hauptstadt der Schweiz. Unter uns ist seine Altstadt, ein UNESCO-Weltkulturerbe, gut zu sehen. Die charmanten Kopfsteinpflasterstrassen schlängeln sich durch die gut erhaltenen mittelalterlichen Gebäude, und man kann sogar die markanten Wahrzeichen wie den Zytglogge-Uhrturm und das Bundeshaus erkennen. Zur rechten Seite erstrecken sich die majestätischen Berner Alpen mit ihren beeindruckenden Gipfeln, unberührten Gletschern und malerischen Tälern, die seit jeher die Sehnsüchte der Reisenden geweckt haben. Die unverwechselbaren Gipfel von Eiger, Mönch und Jungfrau, die über 4.000 Meter hoch sind, prägen die Landschaft und bilden das, was wir liebevoll die Schweizer Skyline nennen. Abenteuerlustige können hier im Winter Skifahren, Snowboarden und Wandern, während der Sommer zu Mountainbiken, Paragliding und alpinem Wandern einlädt. Die eindrucksvolle Fahrt mit der Bahn durch den Eiger zum Jungfraujoch ist sicherlich eines der Highlights der Schweiz. Auf fast 4.000 Metern bietet die Endstation dieser einzigartigen Zugfahrt unvergleichliche Ausblicke auf die hochalpine Landschaft des Berner Oberlandes. Auf dem Weg dorthin führt die Reise durch malerische Regionen um den Thuner- und Brienzersee, wobei Interlaken als idealer Ausgangspunkt für entspannte Bootsfahrten und Wassersportaktivitäten dient. Mit seiner Mischung aus landschaftlicher Pracht, kulturellem Reichtum und aufregenden Aktivitäten verspricht die Region Bern und die Berner Alpen jedem Reisenden ein unvergessliches Schweizer Abenteuer.

Soeben überfliegen wir Bern und geniessen den Blick über den Thunersee, die majestätischen Berner Alpen und ihre beeindruckende Nordwand des Eigers (zu erkennen direkt über dem See).
Soeben überfliegen wir Bern und geniessen den Blick über den Thunersee, die majestätischen Berner Alpen und ihre beeindruckende Nordwand des Eigers (zu erkennen direkt über dem See).
Kannst du das Observatorium auf dem Jungfraujoch entdecken? Folge einfach den Linien des Aletschgletschers, um es zu finden. Übrigens: Eine Eisenbahn führt zur höchsten Bahnstation Europas und bietet atemberaubende Aussichten auf die Schweizer Alpen.
Kannst du das Observatorium auf dem Jungfraujoch entdecken? Folge einfach den Linien des Aletschgletschers, um es zu finden. Übrigens: Eine Eisenbahn führt zur höchsten Bahnstation Europas und bietet atemberaubende Aussichten auf die Schweizer Alpen.
Im Vordergrund kann man wunderbar sanften Hügel des Emmentals erkennen. Dahinter ziehen die Voralpen und Alpen der Zentralschweiz ihre unverkennbare Linie durch die Landschaft.
Im Vordergrund kann man wunderbar sanften Hügel des Emmentals erkennen. Dahinter ziehen die Voralpen und Alpen der Zentralschweiz ihre unverkennbare Linie durch die Landschaft.

Über den sanft geschwungenen Hügeln des Emmentals leiten wir unseren Sinkflug ein und bereiten uns auf die Landung am Flughafen Zürich vor. Zu unserer Rechten erstreckt sich der unverkennbare Vierwaldstättersee, umgeben von bekannten Ausflugsbergen Pilatus, Rigi und Titlis. Er ist wohl das facettenreichste Gewässer des Landes und eine Fahrt mit einem der fünf historischen Schaufelraddampfer durch die fjordähnliche Landschaft zählt zu den Höhepunkten der Region. Von den Gipfeln der Ausflugsberge Pilatus und Rigi kann man wunderbare Ausblicke auf die Stadt Luzern und den malerischen See geniessen. Die Stadt zählt zu meinen Lieblingsorten in der Schweiz, nicht zuletzt da es auf kleinstem Raum die vielfältigen Facetten des Landes vereint. Ein Spaziergang über die ikonische Kapellbrücke und durch die malerische Altstadt vermittelt wunderbar den traditionellen Charme des Landes, während im Hintergrund die postkartenreife Kulisse der majestätischen Alpen den Anblick abrunden. Wer etwas höher hinaus will, dem kann ich die unvergessliche Fahrt mit der steilsten Zahnradbahn zum Gipfel des Pilatus nur empfehlen. Dort oben eröffnet sich eine unvergleichliche Rundumsicht auf die Zentralschweiz, die Alpen und das Mittelland.

Der verschneite Gipfel des Pilatus überragt den Vierwaldstättersee und die malerische Stadt Luzern. In der Ferne ist bereits der Flughafen Zürich sichtbar.
Der verschneite Gipfel des Pilatus überragt den Vierwaldstättersee und die malerische Stadt Luzern. In der Ferne ist bereits der Flughafen Zürich sichtbar.
Während wir in den Endanflug auf die Piste 34 eindrehen, blicken wir zurück zum Vierwaldstättersee. Gut zu erkennen ist dabei sowohl die Rigi, wie auch der Pilatus und die Berner Alpen im Hintergrund.
Während wir in den Endanflug auf die Piste 34 eindrehen, blicken wir zurück zum Vierwaldstättersee. Gut zu erkennen ist dabei sowohl die Rigi, wie auch der Pilatus und die Berner Alpen im Hintergrund.

 "SWISS Two-Yankee-Alpha, turn left heading 010, cleared ILS approach runway 34," die neuste Anweisung aus der Anflugskontrolle lenkt uns auf den Endanflug der Landebahn 34. Während wir die Landeklappen ausfahren gleiten wir über die sanften Hügel des Zürcher Oberlands. Während sich die beiden Piloten komplett auf die bevorstehende Landung am Flughafen Zürich fokussieren, schwelge ich in den Erinnerungen an die kurze, jedoch sehr eindrucksvolle Reise über die Schweiz. Mit dem Überqueren des Röstigrabens haben wir viel mehr als nur eine geografische Grenzen überschritten; wir haben Schichten von Geschichte, Sprache und Kultur durchquert, die zusammen den Kern der Schweiz bilden. Es ist ein eindrucksvolles Zeugnis für die bemerkenswerte Fähigkeit dieses Landes, eine harmonische Balance zwischen Vielfalt und Einheit zu wahren, ein Merkmal, das seinen einzigartigen Charakter seit Jahrhunderten geprägt hat und aus dem armen Alpenstaat eine blühende Nation im Herzen Europas entstehen liess. Als Flugbesatzungen und Reisende haben wir das Privileg, diese Vielfalt aus der Vogelperspektive aus zu beobachten und damit ein neues Verständnis für das komplexe Geflecht zu gewinnen, das die Schweiz so einzigartig macht. Die mechanische Stimme des Radiohöhenmessers holt mich zurück zu den Kollegen im Cockpit um mit einer sanften Landung schliesst sich unsere Reise durch die Schweiz.

Blick nach Norden über die Stadt Zürich in Richtung Flughafen.
Blick nach Norden über die Stadt Zürich in Richtung Flughafen.

Natürlich beschränkt sich die sprachliche und kulturelle Vielfalt der Schweiz nicht nur auf die französischen und deutschen Regionen. Im südlichen Kanton Tessin wird Italienisch gesprochen, und in der südöstlichen Region Graubünden wird Rätoromanisch gesprochen. Ein Beweis dafür, dass dieses kleine Alpenland ein Schmelztiegel aus Kulturen und Sprachen, von denen jede Region ihren eigenen einzigartigen Beitrag zur gemeinsamen schweizerischen Identität leistet.

About the Image

Das Märzbild in meinem aktuellen Fotokalender, mit dem Titel "Across the Röstigraben", nimmt uns mit ins Cockpit eines Airbus 320neo auf seinem Endanflug auf den Flughafen Zürich nach einem kurzen Flug von Genf. Der Betrachende des Bild nimmt dabei Mitten im Geschehen Platz und fängt die Präzision und Fertigkeiten ein, die in der Luftfahrt gefordert sind, insbesondere während der intensiven Phase des Endanfluges. Das Bild markiert den Abschluss einer faszinierenden Reise durch den Schweizer Himmel.

 

Aufgenommen mit einer Canon EOS R5 + EF zu RF Adapter + Samyang 12mm f/2.8 bei ISO 1600, f/5.6 und 1/30 sek.


Über "Behind the Image"

In meinem Fotokalender "Up in the Sky" gewähre ich faszinierende Einblicke in meinen Alltag als Linienpilot. Diese Blogserie ergänzt den Fotokalender und erzählt die Geschichte hinter dem Moment, in dem das Bild aufgenommen wurde. Zudem bietet sie Hintergrundinformationen darüber, was sich im Cockpit ereignet hat und wie das Bild entstanden ist.

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